Montag, 13. Juli 2015

DREI: Tod im späten Tibet



Über das Sterben in Tibet in 1000 oder mehr Jahren: drei Ausschnitte aus einem fiktiven Blog-Buch, in dem ich nach Asien wandern werde. Das findet ihr hier:

die gesamte Übersicht über meine Blogs findet ihr hier:   

Meine beiden Blogs über "Leben und Sterben" sind hier:
Den ersten, den beginnenden Blog, findet ihr unter:  http://mein-leben-und-sterben-eins-und-zwei.blogspot.com/
Den zweiten und abschließenden Blog, in dem ihr gerade lest, hier:  http://mein-leben-und-sterben-drei-und-vier.blogspot.com/


Hier rechts sind im gelben Feld die Posts von 2011 angegeben:  DREI "in Tibet in sehr ferner Zukunft - Leben und ...", VIER aus "Dimension beyond the Known" (Übersetzung eines kurzen Abschnitts von Osho) und FÜNF "Abschluß".

Kommentare am Schluß.



- [Die Fiktion in dem Buch ist, daß es in ferner Zukunft spielt und der Autor ein etwas anderes Tibet, als wir es aus den heutigen Situation kennen, erlebt, ganz ohne fremde Besatzung, aber in voller kultureller und spikritueller Eigenständigkeit

Eine weitere Fiktion ist, daß der Autor in einem Tibetisch schreiben wird, das in seiner Zeit (in 1000 Jahren von jetzt an gezählt) benutzt wird. Die Texte findet ihr aber in´s heutige (2011) Deutsch übersetzt, und die Bemerkungen der Übersetzer stehen in eckigen Klammern. Und so sehen wir´s unten, es ist wie gesagt fiktiv, erfunden ]







Erster Ausschnitt: Nanok
aus Original Kapitel 5 (Ende) im Buch

Wieder laufen wir im weiten Tal des Yarlung westwärts.

Etwas seitwärts in einer Lichtung treffe ich einen Mann, der neben einem Hund sitzt. Der Hund liegt dort auf der Seite, die Schnauze dem Mann zugewandt, er atmet nur ganz leicht, und ich sehe erst nicht, ob er schläft oder was ist. Der Mann sieht sehr traurig aus. Ab und zu träufelt er etwas Wasser über seine dicke, schwarze Nase. „Er heißt Nanok, und wir lieben uns.“ Nach einer Weile mache ich für uns ein Feuer, denn es ist Abend, und vielleicht wollen wir uns einen Tee machen. Der Mann streicht immer wieder liebevoll über den Kopf und die Schnauze des Tieres. Ich sehe ein paar Tränen in seinem Gesicht, und mir kommen sie auch. Der Mann spricht langsam diese Worte:

„Er ist so krank, und ich sehe, er wird sterben.“

„Wir lieben uns so sehr, obwohl ich ihm manchmal Unrecht getan habe. Er hat mir nie Unrecht getan, er ist immer treu zu mir. Doch ich habe ihn ein paar Mal verraten.“



Er legt die Hände zusammen und verbeugt sich tief vor seinem Freund, seine Schultern zittern. „Nur sehr selten hat er mir etwas zu essen weggenommen, vielleicht drei mal in seinem ganzen Leben, das ist doch nicht schlimm? Er wusste, daß er das nicht darf und hat sich daran gehalten. Doch einmal, es war noch früh in diesem Jahr, habe ich gesehen, wie er mir ein großes Stück Käse nahm. Da stürzte ich auf ihn zu, um ihm klar zu machen, daß er das wirklich nicht darf, ich habe ihn angebrüllt und auch geschlagen. Er bekommt immer genug zu essen, es war wohl ein anderer Beweggrund, aber ich hätte den Grund respektieren müssen, auch wenn ich ihn nicht verstehe. Schließlich sind wir so enge Freunde, ich hätte es respektieren sollen.“

Und er schluchzt wieder ein wenig.

„Doch ich habe ihn geschlagen, und seit dem Moment ist etwas fremd zwischen uns geworden. Die Nähe war nie mehr so wie vorher. Ich war für ein paar Wochen tief traurig, es war nicht möglich, die alte Nähe wieder herzustellen, so oft ich ihm auch den Kopf getreichelt habe. Ich habe ihn umarmt und um Verzeihung gebeten, doch es war ihm nicht mehr möglich.“

„Und dann ist noch folgendes passiert, erst vor vielleicht zwei Monaten. Bei einer Verkaufsreise — ich handele mit Strümpfen und stricke sie auch bei meinen Kunden im Haus — bin ich für einige Tage in einem Haus gewesen und habe dort auch gestrickt. Die Leute wollten nicht, daß mein Freund mit ins Haus käme, und ich bat ihn, draußen zu bleiben. Das ist ja ansich kein Problem, so robust wie er ist. Doch er wollte — so sind Hunde ja — in meiner Nähe bleiben, was ich ihm nicht gestattete, ich dachte, meine Geschäfte brauchen auch ihr Recht. Mehrmals am Tag ging ich zu ihm und wir wanderten etwas umher, aber dann musste er wieder an seinem Platz allein liegen. Es war ein schlechter Platz, und er wurde etwas krank in diesen Tagen, und er ist seitdem nicht wieder richtig gesund geworden.“

„Wer weiß, vielleicht war es diese Krankheit, die ihm nun den Tod bringen wird. Besser hätten wir gleich wieder weg gehen sollen von den Leuten — aber manchmal bin ich nicht so klar in meinen Entscheidungen, bin unbewußt. Es ist sehr traurig mit mir. Ich kann nachts kaum schlafen und weine lange Zeit deswegen.“

In der Nacht lag ich etwas abseits in meine Schafsfelle gewickelt, und am Morgen war der Hund gestorben. Der Mann weinte hemmungslos und strich immer wieder über das dunkle Fell seines Hundes. Nach zwei Tagen Totenwache gruben wir ihm ein tiefes Grab — und dann war alles vorüber. Spät im Herbst traf ich den Mann wieder, er war immer noch traurig, und er meinte, „nun weine ich nicht mehr, aber die Trauer ist geblieben, ich glaube, weil ich ihm so großes Unrecht getan habe. Das wird mich wohl noch durch die Jahre begleiten: die Liebe zu meinem Nanok und die Trauer über mein Unrecht.“





Zweiter Ausschnitt: 
über das Sterben in Tibet: „sie wollen ihre eigene Seele sehen und pflegen“ — Sterberitual

aus Original, 8. Bericht

Immer wieder höre ich die Tibeter sagen „erkenne dich selbst“ oder ähnliches. Sieh hin, wer du eigentlich bist, wie dein Wesen beschaffen ist. Das Sterben ist die letzte Gelegenheit dazu — und die größte. Die Vorbereitung auf das Sterben — während des ganzen Lebens bereiten sie sich darauf vor — dient zur Selbsterforschung.

Hier in Tsparang treffen wir eine jüngere Nonne, die uns fragt, ob wir an einem Sterberitual teilnehmen wollen. Li, das Mädchen aus China, und ich gehen mit, und sie führt mich in ein Haus, wo ein junger Mann an einer schweren Krankheit stirbt. Doch vorher geht sie mit uns in einen kleinen Tempel mit knarrenden Türen, wo an die Wände viele Gemälde gemalt sind.

Zuerst zeigt sie uns die SCHÖNEN Bilder, Gottheiten in bunten Gewändern, Göttinnen und Götter in inniger Umarmung, auch tanzend, rundherum chinesische Gärten mit lebendigen Vögeln und Fischen und Landtieren rundherum, und tanzenden Kindern in bunten Gewändern. Es ist, als ob ich die Vögel und die Kinder singen höre. Viele Blumen in allen Formen des Aufblühens und Wiederverwelkens und alles dazwischen, große Schmetterlinge und andere Insekten — alles ist zu sehen.



Sie deutet auf die Bilder und erklärt, „der Sterbende wird zuerst an diese Bilder erinnert, die ihm begegnen als Zeichen der guten Taten und Erlebnisse in seinem Leben.“ Wann begegnen sie ihm? frage ich. „Eigentlich von selbst nachdem der Körper ihn verlassen hat. Doch wir erinnern ihn daran in der entsprechenden Zeit. Denn nicht jeder Mensch hat sich im Leben darauf vorbereitet.“

Und dann zeigt sie mir SCHRECKLICHE und HÄSSLICHE Bilder, Göttinnen und Götter, schreckliche, blutsaufend und ihre Schwerter schwingend, eingehüllt in schreckliche Flammen. Dämonen will ich diese Figuren mal benennen. Schreckliche, wütende, zornige, bissige Dämonen, mit bluttriefenden Schwerten in den Händen. Solche Bilder hatte ich zwar schon gesehen und bin ein wenig daran gewöhnt. Doch schaudern tut es mich immer wieder, ich kann es nicht wirklich beschreiben, so furchtbar ist das alles, ich zittere und bin nahe dem Weinen. Und Li kauert sich in eine Ecke und verhüllt ihr Gesicht, „das kann ich nicht ansehen“ — „brauchst du nicht, aber nun weißt du, wo du diese Bilder finden kannst, wenn es dir mal not tut“.



Die Nonne erklärt, „... wir wollen uns klar machen, was auch in unserem Innern ist, nicht nur das Angenehme, auch dieses. Heute abend werden wir uns am Feuer vor meiner Hütte treffen, dann werden wir mehr darüber sprechen, ja?“

Wir gehen zum sterbenden Jüngling, und ich erlebe — Tsering, der Junge, der uns begleitet, klettert in der Zwischenzeit mit dem Hund auf einen der Felsen — wie die Hausgemeinschaft um den Sterbenden herum sitzt und trauert und weint. Die Nonne beruhigt die Leute und meint, das würde ihm kein Nutzen sein, ihm eher alles schwerer machen.

Li sagt leise zu mir, „ich habe schon oft Menschen sterben gesehen, es ist oft ein feines Erlebnis, manchmal auch ungut, hier vielleicht auch, fühle ich“.

Und so wird die Nonne — und Li geht oft mit — an noch weiteren Tagen hingehen und den Sterbenden bis weit über sein Ableben hinaus begleiten und ihm alles erklären, „seiner Seele erklären. Die Seele kann mich noch weiter hören, jedenfalls gehe ich davon aus.“ An ihrem Feuerchen und bei Tee spricht sie weiter, Tsering ist zurückgekommen und hört staunend zu, staunend wie Li und ich auch. Ich habe mich dick in Felle eingewickelt, es ist mir schauerlich zu Mut, und mein Körper zittert.

„Vieles Unschöne in unserer Seele haben die Maler in dem Tempelchen in die Bilder gebündelt. Wir hier in Tibet betrachten diese Wandgemälde immer wieder in unserem Leben, von Kindheit an, sie sind Teil unserer inneren Bilder. Sie sind fester Teil unserer Erinnerungen. Wir lernen, alle häßlichen Erfahrungen im Leben in dieses Kapitel unserer Seele einzuordnen, zusammen mit diesen Bildern. Dann ist Ordnung, könnte man sagen. Ich möchte dieses Kapitel mal `das Furchtbare´ nennen, das `KAPITEL DES FURCHTBAREN´.

Es gibt auch manche andere, wie die Kapitel des Schönen, der Liebe, der Fürsorge und viele mehr. Doch es ist nicht so wichtig, sie besonders zu pflegen, denn sie pflegen sich von selbst, das ist ein Naturgesetz, denke ich. Das Schöne ist eine dem Menschen angeborene Eigenschaft.“

Woher kommt denn das Schreckliche alles? frage ich fröstelnd. Und ich ahne schon, daß wir uns das im Leben selbst eingebrockt haben, durch unschöne und häßliche Taten — wie der Mann mit seinem Hund — oder auch nur schlechte Gedanken, Pläne, Beurteilungen an unrechter Stelle, Verdammungen ... Doch auch Erlebnisse, die von außen kommen, und mit denen wir nicht fertig werden konnten, die sich als Erinnerungen in uns festgesetzt haben. Noch heute wirken solche uralten Erlebnisse in den tibetischen Seelen nach (das ist wohl bei allen Menschen so). Erlebnisse aus Zeiten der Kriege und Aufstände — zum Beispiel während der langen chinesischen Besetzung damals, oder als Moslemheere das Land Guge zerstörten.

„Und die Häßlichkeiten sind meist sehr starke Erinnerungen, sie setzen sich durch, wenn es darum geht, unser Leben zu verstehen. — Was ja beim Sterben geschieht, bevor unser Körper uns alleinlässt, uns allein zurücklässt. Und da kommen die Erinnerungen aus diesen furchtbaren Kapiteln sehr bald heran und durchziehen die Zeiten des Sterbens, sie sind dann sehr gegenwärtig, mögen sich leicht in den Vordergrund drängen.

„Weil wir das Ganze aber kennen — wir kennen es durch das Betrachten dieser Bilder im ganzen Leben, das gehört zu unserem tibetischen Lebensstil —, sind wir nicht so erschrocken wie zum Beispiel du und Li wäret. Dieses ist alles in unserem Bewußtsein."

Wann macht ihr das? frage ich sie. „Ja, wie ich sagte, wir wollen unsere Seele erkennen und pflegen. DAS ist es, was wir tun, wenn wir die Tempel besuchen. Nicht nur still da rumsitzen für nichts. Beim still Sitzen hört ja alles andere Denken auf, nur der REINE BLICK ist da. Dieser Blick in alles, was da innen in mir ist, aber wenn wir nicht denken oder fühlen, was bleibt da noch zu sehen? Was sehe ich? Und da sehe ich dann diese verschiedenen Kapitel, auch das Kapitel `das Furchtbare´ wie ich es nenne. Wenn es sehr voll ist, rückt es in den Vordergrund.“ Habt ihr da nicht Angst in diesen Tempel zu gehen? frage ich, dennoch gehen die Leute immer wieder hin. Das ist doch schrecklich.

„Ja, und deswegen gehen wir so sorgfältig mit unserem Leben um, wir gestalten unser Leben so, daß sich möglichst wenig `Furchtbares´ in der Seele festsetzen kann, wir versuchen, sie rein zu halten. Da sind wir bewußt, am besten immer bewußt.

„Ganz ist es im Leben nicht zu vermeiden, daß Schreckliches eindringt und sich festsetzt. Doch durch die eigenen Taten oder das Seinlassen gewisser Taten können wir erreichen, daß wenig in diesem Kapitel ist. Das ist unsere Lebenskunst.“

Diese Lebenskunst wurde uns damals durch die chinesische Besetzung sehr schwer gemacht, zum Beispiel nicht immer wieder in Trauer, Ärger unbd Wut ausbrechen über das, was da geschah.“

Mir ist klar, daß das wirklich reine und hohe Lebenskunst ist, mehr noch. Diese Leute fühlen sich heimisch in der unendlich langen und vielfältigen Reihe von einzelnen Leben, oder auch hierhin und dorthin fliegend in der ganzen Existenz. Sie fühlen sich nicht losgelöst als einzelnes, vereinzeltes Wesen, nicht heimatlos ohne Halt im leeren Weltall schwebend wie wir es oft erleiden. Hier haben alle eine Heimat — in ihrer Seele, oder in der Seele der Natur oder der Existenz oder einer Gottheit, wie sie es sagen.

Deswegen sind diese Leute wohl so eindeutig und ausgeglichen, sie leiden selten an seelischen Krankheiten. Das ganze Leben ist also mithilfe ihrer Lebenskunst — wie ich mal sagen will — auf diese wenigen Augenblicke des Sterbens ausgerichtet — gehen sie da nicht an den Wirklichkeiten des Lebens blind vorbei? „Nein, nicht so sehr, denn diese `Lebenskunst´ gestaltet ja unser Leben, das Leben besteht aus dieser Lebenskunst. Das ist der Kern unserer Kultur. Und das Wesentliche des Lebens ist ja das saubere Sterben, so denken wir oft. Und — wenn ich das will — die Neugeburt in ein weiteres, gutes Leben. Das ist dann das `SAUBERE GEBORENWERDEN´.“

Ich spüre, daß ich hier die wesentlichste Nachricht der Tibeter an die Menscheit höre. Und bin traurig, daß wir anderen Menschen da so wenig zuhören mögen. Ja sogar versuchen, den Tibetern den Mund zu verbieten.

„Mit dem Sterben sind wir nicht abgeschnitten vom Leben vorher oder den Mitmenschen . . . Sterben ist ja zwar das Leben verlassen. Oder, der sterbende Körper verabschiedet sich von mir. Erstmal bin ich da allein, doch bald bin auch ich gestorben.“ Was bleibt denn da noch? Was oder wer durchwandert denn den Zwischenzustand, das Bardo? frage ich.

„Ja, da ist was, da bleibt was, denn wir sehen ja oft, wie ein neuer Mensch etwas aus einem früheren Leben mit herübergenommen hat, eine Erinnerung, einen Charakterzug, die anderen erkennen ihn wieder, er findet einen anderen Menschen, eine Landschaft wieder . . . Wir sagen, es ist das Grundsätzliche des Bewußtseins, das weiterwandert, ist also vielleicht sowas wie eine WERKSTATT DES BEWUßTSEINS. Ein Archiv, je nachdem, bei wem das ist. Gerade in den ersten Lebensjahren kommt das noch heraus. Ist wohl ziemlich unterschiedlich von Mensch zu Mensch. Später könnte der Mensch das vergessen, deswegen pflegen wir diese Erinnerungen, erhalten sie für später. Doch das Meiste geht schon in der frühen Kindheit verloren. Die Erwachsenen schreiben alles auf, was die Kleinen so von sich geben. Und dann kann es doch noch Erinnerungen geben, in späteren Jahren. Und die sind wertvoll. Um sich selbst zu verstehen, den eigenen Charakter zu verstehen . . . wo kommt das alles her, was ich bin, wer bin ich, wo komme ich her?“

Nach einer langen Pause in Stille beim leicht knisternden Feuer sagt die Nonne:

„Das hört sich alles sehr ideal an. Vielen Menschen geht es aber nicht so gut, und der Gang durch die Bardo-Zeit wird ihnen sehr schwierig. Und wenn sie das nicht elegant meistern können, kann das nächste Leben nur noch schwerer werden. Ein Ziel unseres Staates ist aber, das möglichst jeder Mensch spirituell ganz gesund — sage ich mal — geboren wird und bleibt. Das meine ich wenn ich sage, `elegant meistern´. Nur dann kann ein Volk in innerem Frieden und in großer Liebe leben.“ — und muß nicht andere Völker mit Wut und Machtgier überfallen und quälen, sage ich dazu.

Für mein Verstehen ist DAS der ideale Staat.

„Für dieses Ziel gebe ich viele Hinweise an den Sterbenden, besonders, wenn er noch so jung ist. So finden wir unser Leben eingebettet in eine lange Reihe von Leben, getrennt durch die Zeiten des Bardo, so nennen wir die Zeit zwischen zwei Leben.“



„Wenn aber einer vorzieht, den Kreislauf der Leben ganz zu verlassen und `ins NIRVANA EINZUGEHEN´, muß er sich im Leben besonders vorbereiten — das wird kaum möglich sein ohne als Nonne oder Mönch zu leben. Mir scheint, das ist ein schönes aber selten zu erreichendes Ideal.“

Nun finde ich es fast gemütlich, sich eingebettet zu wissen in diese lange Lebensreihe. Mir wird wärmer, und ich lege ein paar der Felle zur Seite. Li stellt noch eine Frage: „wer befindet denn darüber, wie eine Tat oder ein Gedanke oder ein Erlebnis im vergangenen Leben zu beurteilen ist?“ „das ist vielleicht verwunderlich für dich:“ sagt die Nonne, „du beurteilst das selbst. Du selbst bist die einzige Behörde, sozusagen, die das beurteilt, du bist dein eigener Richter. Wer sonst? Denkst du etwa, das sei tatsächlich die Aufgabe dieser Göttinnen und Götter oder gar des Buddha? Oder gar des Staates? Nein, nur du selbst kannst das, denn es ist ja DEIN Leben, es ist voll DEINE Verantwortung. Es gibt — so denken wir uns das — niemanden sonst, der da Verantwortung für dich übernehmen kann.

„... jedenfalls ist das unsere Lebensart.“

Und nun wird mir bewußt, daß die bei uns noch manchmal gepflegte Sitte, Gott oder jemanden sonst zum Richter zu bestellen, eine Flucht vor dem Ernst der eigenen Verantwortung ist: `Gott der große und übermächtige Vater´, daß es eine ungeprüfte Behauptung [Hypothese] ist, meine ich.

Das Sterben kann doch nicht das Ziel des Lebens sein, zweifelt Li. „In gewissem Sinn schon,“ sagt sie, „denn eine einzelne Lebenspanne ist ein sehr begrenzter Teil der gesamten Existenz, viel ist vorher, viel ist nachher. Uns ist bewußt, daß vor der Geburt und nach dem Tod vieles ist, an dem wir irgendwie auch beteiligt sind, jeder von uns, doch genauer erkennen wir das meistens nicht, nur ganz wenige Menschen können das.

„Ich fühle mich als kleines Teilchen des Ganzen, eingebettet in die unendliche Länge des Ganzen, kommend aus der Unendlichkeit, weiter fortlaufend in die Unendlichkeit. Deswegen ist auch dieses eine Leben, das ich lebe und erlebe, nur eine Phase in dem Ganzen. Sterben und Tod aber andere Phasen, jede solcher Phasen oder Zwischenzustände nennen wir ein `BARDO´.“

Redest du wirklich von einer Unendlichkeit: `unendliche Länge des Ganzen´? Ich kann mir Unendlichkeit nicht denken. Doch klar ist mir, daß auch das längste Sein vor oder nach meinem Leben nicht unendlich sein kann. Also kann es auch keine `unendliche Länge des Ganzen´ geben. Irgendwo muß ein Anfang, irgendwo ein Ende sein. Das könnte mit einem Schlag sein oder allmählich. Mit `das Ganze´ meinst du vielleicht Zeit und Raum und was dazu gehört — wie Denken, Naturgesetze und so weiter, oder? Sie nickt langsam, als ob sie über diese Worte noch nachdenken müsste.

Ein Hirte oder Bauer, der dabei steht, sagt zu mir, „das kannst du nicht sagen: `mit einem Schlag oder allmählich´, denn diese Begriffe gehören zur Zeit, aber wenn es keine Zeit gibt, dann sind sie fehl am Platz.“

Er spricht nun zur Nonne: „Ein Mensch ist OHNE unendliche Seele, sowas gibt es nicht, kann es gar nicht geben, weil es für die lebenden Wesen eine Unendlichkeit überhaupt nicht geben kann. Alles ist endlich und gehört in einen Rahmen aus Zeit. Nur deswegen kann es für den Menschen ein Nirvana geben, er kann wieder verlöschen, er kann wieder verschwinden, vollständig, nämlich in der Unendlichkeit. Selbst wenn es noch weiterhin Zeit gibt. Dieses, was wieder verlöschen kann, nannte der Buddha Anatta oder Anatma, also keine unendliche Seele.

„Eigentlich darf ich auch nicht sagen `in der Unendlichkeit´, denn nichts kann in der Unendlichkeit sein.

„Unendlichkeit ist aber jenseits jeder Zeit; ja, das stimmt. Zeit ist begrenzt – wenn auch so groß, daß wir sie als unendlich empfinden, mit unserem kleinen Geist. Also die Unendlichkeit ist nicht begrenzt, eben: OHNE Anfang und ohne Ende.

„Doch eine Seele kann für eine mehr oder weniger lange Zeit ins Bardo des Todes gehen und wieder hinaus in eine neue Existenz, und so hin und her, aber nicht für immer, nicht für unendlich. Irgendwann ist das Nirvana ihr endgültiges Schicksal. Nirvana aber ist ein Hilfsbegriff und liegt nicht im Bereich der Endlichkeit oder der Zeiten. So gesehen ist Nirvana NICHTS. Vielleicht können wir auch sagen, Nirvana gibt es nicht.“ So weit der Bauer.





Dritter Ausschnitt: 
bei einem alten Mann, der sterben wird
An einem anderen Tag gehen wir zu einem alten Mann, der im Leben Schlachter war, dieser Beruf ist in Tibet etwas Häßliches, und die Leute tun einem leid, die ihn ausführen müssen. Aber die Leute sind da hineingeboren, ist eine Tradition ihrer Gruppe. Die Nonne gibt mir weitere Unterrichtungen.

„Vieles, was wir Menschen tun, hängt mit dem Töten von Tieren zusammen, auch wenn viele nie Fleisch essen . . .

„... und WIE wir sie töten. Zwar ist es schön für die Seele eines Menschen, nie Lebewesen zu töten oder auch nur zu quälen. Doch ist das nicht ganz zu vermeiden. Aber wenn wir Tiere töten, haben wir bestimmte Rituale, wir erzählen der Seele des Tieres davon, daß sie bald wieder in eine neue Existenz kommen wird, und daß wir ihr wünschen, daß das eine angenehme Existenz werden wird — und lauter solche Dinge. Die `Lebenskunst´ könnte man auch `Seelenpflege´ nennen. Ja, so tun wir das.“

So habe ich es gesehen: soll ein Yak geschlachtet werden, schmücken sie ihn mit bunten Bändern und Tüchern und gehen an einen schönen Platz, und dann töten sie ihn, der tote Körper wird erst nach ein paar Minuten aufgeschnitten, wenn — so denken sie — sich seine Seele an den neuen Zustand gewöhnt hat und `davon fliegen´ kann. „Das ist Teil der Vorbereitungen, um die eigene Seele nicht unnötig schwer zu belasten. Dennoch bleiben da viele furchtbare Erinnerungen hängen. DARUM also geht es uns bei der Seelenpflege.

„Wir versuchen diese `furchtbaren Dämonen´, denen wir in uns begegnen, zu besänftigen, indem wir mit ihnen sprechen, ihnen kleine Dinge opfern, klar ihre Bilder vor unserem geistigen Auge erscheinen lassen, sie schmücken und schön machen. Sie werden weniger häßlich, ja harmlos. Sie können uns Freunde werden.

„Andererseits ist es oft so, daß diese Dämonen viel furchtbarer und häßlicher sind als auf den Bildern. Es ist die Kunst der Seelenpflege, sie harmlos und zu Freunden zu machen.

„Doch beim Sterben erscheinen uns alle, auch solche, an die wir im Leben nie gedacht haben. Aus allen Ecken und Winkeln der Seele kommen sie hervor und zeigen uns ihre häßlichen Fratzen. Alle kommen ohne Ausnahme, es ist das große Reinmachen. Klar, es kommen auch die anderen, schönen, geliebten Erinnerungen hervor, doch um die brauchen wir uns nicht zu kümmern, sie sind kein Problem. Sie können sogar ein Gegengewicht zu den häßlichen Erinnerungen sein, sie können mildernd wirken. Sogar können sie das Sterben schön machen, denke ich.

„Meine Aufgabe als Sterbehelferin ist es, dem sterbenden Menschen dieses alles noch mal vor Augen zu führen, ich erzähle ihm alle Phasen, in denen er gerade ist und versuche sie gemeinsam mit ihm zu erkennen und aufzulösen. Weil wir Tibeter uns im ganzen Leben mit diesen Bildern vertraut gemacht haben, ist das leicht. Bei dir wäre das unmöglich, weil dir diese Bilder fehlen. Doch mit ein wenig Seelenpflege, die du hier tun kannst, wäre es immerhin möglich, dir zu sagen: sieh, DAS SIND ALLES NUR DEINE EIGENEN BILDER, VON DIR SELBST ERSCHAFFEN, da ist nichts wirklich Furchtbares von außerhalb, alles ist von dir selbst gemacht. Es ist alles in deiner eigenen Verantwortung. Und wenn du das sehen kannst, wird das Sterben leicht. Dazu bin ich da.“


Wir gehen zum Haus des sterbenden Mannes, wo schon ein paar seiner Freunde versammelt sind, um ihm `das letzte Geleit zu geben´ wie sie sagen, mit bunten Tüchern oder — wenn sie welche finden — Blumen. Die Nonne setzt sich neben sein Lager und beginnt all das zu sagen, was ich schon beschrieben habe. Ihre Worte sind allen bekannt, es ist nichts Neues, er wird sich von früher her leicht an sie erinnern. Hier ist eine feierliche Stimmung, mit Duftkräutern haben sie vorsichtig eine reine Luft im Raum geschaffen, ihre Büschel hängen an den Wänden, ganz leicht werden die Duftkräuter angewendet.

Jemand macht eine Musik wie der Sterbende sie sich früher mal ausgesucht hat, einfach und warm. Auch legt die Nonne mal eine Hand auf seinen Körper, ganz leicht, um ihn auch auf diese Weise daran zu erinnern, daß jemand da ist. Wie er seinen letzten Atemzug getan hat, spricht sie weiter alles das, was zu diesem Zeitpunkt des Sterbens gehört, es geht immer wieder darum, ihn zu erinnern, wo er nun ist, „höre mir nun genau zu, Gampo, es ist nun die Zeit, daß du dir einen neuen Weg suchst. Du hast in den nächsten Tagen die Möglichkeit, erleuchtet zu werden und ins Nirvana einzugehen und nie wieder ein Mensch sein zu müssen. Aber du kannst auch eine neue Geburt mit Absicht wählen und den Platz und die Mutter und die Gemeinschaft dazu aussuchen.

„Alles, was dir in den nächsten Tagen begegnen wird, ist nicht wirklich. Sondern es sind Bilder, die in deiner Erinnerung sind. Nimm sie an und versuche sie zu lieben, auch wenn sie schrecklich sein mögen.

„Das Schönste aber, das dir begegnen wird, ist dieses große `Klare Licht´. Dieses Klare Licht ist deine Leerheit, ist das `Shunyata´, ist der Ort, in dem du nun bist.

„Und nun erlebst du wie dein Körper schwer in die Erde einsinkt, wie er unter Druck von der Erde umgeben wird, doch bald löst er sich in Wasser auf.“ Und so geht es weiter, bis sie ihn darauf aufmerksam macht, wie „dein Körper nun in reine Bewußtheit aufgeht — sonst ist nichts mehr da. Und das ist das Klare Licht, das `Zweite Klare Licht´.

„Höre mir aber weiterhin genau zu, Gampo. Lass dich nicht ablenken. Nun erkennst du, `ich bin nun tot, wie gut, daß ich nun tot bin und nicht mehr Schlachter sein muß´. Du kannst nun sehr glücklich sein.

„Nun wirst du verschiedene farbige Lichter erkennen, in die du getaucht bist. Jedes Licht bezeichnet ein Schweres und auch ein Schönes in deinem vergangenen Leben. Sieh sie dir an und erkenne sie. Wenn du versuchen solltest, sie abzulehnen, und denkst, damit habe ich nichts zu tun, dann wird es schwerer für dich werden, dann wirst du länger brauchen, bis du dein Ziel erreicht hast.

„Und mach dir immer wieder klar, daß das alles nur Bilder sind, die mal in deinem Gehirn entstanden sind und nun noch nachwirken, sie sind nicht wirklich. Du brauchst also weder Angst zu haben, noch brauchst du dich über die Bilder zu freuen.“


Sie sagt ihm auch, in welcher Phase des Sterbens die Seele sich gerade befindet. Da sind immer wieder Scheidewege, die Seele kann sich entscheiden, alles zu verstehen, und dann hat sie die freie Wahl, wie es nun weiter geht.

Oder die Seele fürchtet sich und kann die Bilder nicht annehmen sondern lehnt sie ab, ärgert sich oder kämpft gegen sie — dann geht es weiter nach einem Sterbemuster, das die Natur in uns angelegt hat. In diesem Fall wird die Seele in ein dunkles unergründliches Chaos rutschen und schließlich das Bewußtsein verlieren [den Übersetzern scheint es, daß dieses die alte christliche Vorstellung des Todes ist].

Wenn die sterbende Seele sich aber die freie Wahl offen lässt, geht sie den Weg, den sie sich vorher im Leben vorgenommen hat, geplant hat, zum Beispiel als Kind einer Hirtenfamilie im Changthang geboren zu werden — wie mein Freund der junge Tsering. Und die Nonne sagt, weil sich die Seele im Leben meistens die ihr bekanntesten Verhältnisse aussucht, wird sie in der Nähe ihres alten Platzes und ihrer Familie geboren werden. Doch sie könnte sich auch anderes geplant haben, wie zum Beispiel:

„Vielleicht aber möchtest du in einem nächsten Leben ein `Bodhisattva´ werden. Dann kannst du den Weg dahin schon jetzt planen, suche dir eine Gemeinschaft, eine Mutter, einen Kreis von Freunden aus, bei denen du diesen Weg verwirklichen kannst.“

Und sie kann sich auch geplant haben, daß dieses nun die letzte Existenz gewesen sein soll, und dann gibt es die Möglichkeit, den Kreislauf der Geburten zu verlassen und ins Nirvana zu gelangen — worüber ich oben schon geschrieben habe. Ich möchte mal sagen: das wäre das endgültige Sterben ...

Nicht nur dieses, was ich bisher beschrieben habe, hat einen Einfluß auf den Platz des neuen Lebens. Auch, was die Seele im bisherigen Leben Gutes oder Schlechtes getan hat — oder noch andere Taten —, scheint den neuen Platz mit zu bestimmen, das nennen sie hier die Lehre des Karma. Das kann noch mehr sein als die Sache mit den furchtbaren Dämonen. Zum Beispiel sagt die Nonne, „wer im Leben an Malerei interessiert war, wird es im neuen Leben auch sein.“

Die Nonne sagt dann, „meine Arbeit ist hauptsächlich für die Leute, die sich im Leben nicht ausreichend vorbereitet haben, was oft ist, wenn sie im Leben nachlässig waren oder nicht so viel Zeit hatten oder sehr jung sterben. Doch weise wäre es, gut vorbereitet zu sein, und dann ist eine Sterbehelferin nicht so wichtig, dann kann so ein Mensch auch problemlos allein sterben.“

Außer den Wandgemälden haben sie in den Tempeln von Tholing viele Figuren, die aus Lehm gemacht und bemalt sind. Dazwischen stehen in kleinen Nischen Skulpturen des Buddha und anderer Aspekte ihrer Geistigkeit. Sie sind aus Bronze gemacht. Sie seien uralt und wurden über die langen Zeiten der Niedergänge gerettet, vielfach vergraben in Kästen, die vor Nässe schützten. Eine sehr geheime Tradition (die nicht in Worten ausdrückbar ist) hat die Angaben über die Orte, an denen diese Dinge vergraben waren, weiter überliefert. Als die Zeiten wieder gut waren, haben sie alles ausgegraben und wieder in die Tempel gestellt. So kommt es, daß hier nicht nur neue sondern auch ganz alte Kunstwerke den Menschen helfen, sich in der seelischen Welt zurechtzufinden. Das ist vielleicht schwer zu verstehen, deswegen gebe ich das mal einfach so weiter wie mir das erzählt wurde.

Und — in den Zeiten der Unterdrückungen wurden sehr viele der Dinge ins Ausland gebracht, wo sie die Zeiten überdauerten, in den Schränken der Kunstliebhaber, aber auch auf den Altären solcher Menschen, die sich zu der tibetischen Art der seelischen Pflege und Heilung hingezogen fühlten. Als Tibet begann wieder aufzublühen, kam manches wichtige Stück aus dem Ausland wieder zurück, dort Jahrzehnte lang bewahrt für die Zukunft.

„Das ist eine sehr große Leistung all der Menschen, die auf der ganzen Erde unsere seelische Kunst bewahrt haben — für die Zukunft der Menschheit, und wir fühlen uns seitdem dankbar verpflichtet, die alten Botschaften an die ganze Menschheit weiterzugeben.“

Das Sterben haben Li und Tsering still und gespannt verfolgt, sie saßen zusammengekauert in der Ecke des Zimmers im Haus der Familie. „ich fühle mich nun wie eingebettet in das Ganze des Lebens, ein winziger Teil des großen Lebens, ganz dazu gehörend,“ sagt Li nachher, „sehr dankbar bin ich für dieses Erlebnis.“ Li ist eine kleine, sehr weise Frau, denke ich und bin froh, daß sie mit uns wandert.

Nach diesen langen Tagen in der Gegend von Zhanda (Tholing) und Tsaparang wandern wir weiter entlang des großen Flusses, den sie hier Langtsch-hen nennen, und der den Himalaya durchbricht um in Indien ins Meer zu fließen. Obwohl der Fluß tief im Tal fließt, müssen wir hoch über den Schipkipass laufen, der nun unser nächstes Ziel ist.



Den Anfang von "Leben nund Sterben" seht ihr hier: http://mein-leben-und-sterben-eins-und-zwei.blogspot.com/
Kennst du die Seite:  http://www.oshonews.com/category/departures/ ?
Dort lese ich ständig über alte Freunde auf dem Weg, die ihren Körper zuzrückgelassen haben. Sehr berührend und ein Wecker zum Aufwachen.

Ich (Aryaman) bin etwas entsetzt, daß es möglich ist, so in meine Texte einzugreifen - noch dazu ohne Absender-Name. Dazu wäre der Kommentare-Kasten gedacht.





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VIER: Osho: jenseits des allbekannten





Dimensionen jenseits des Bekannten

Das Buch von Osho „Dimensions beyond the known“ ist eine Übersetzung aus dem Hindi. Ich will versuchen, einige Teile nun ins Deutsche zu übersetzen. Bedenkt beim Lesen, wir sind hier nicht im Westen sondern in Asien. Am 3. Dezember 2012.

Aus dem Kapitel 3, „Paths are many, the travellers are few“:

Es gibt viele Wege, doch nur wenige Reisende (10. März 1971)

Seiten 101-113, Frage:
„Wäre es möglich für dich zu beschreiben, was der Seele nach dem Tod geschieht, wo sie sich bewegt, was sie tut, und in welchen Umständen sie sich befindet während der Zeit zwischen der Aufgabe des Körpers und der Annahme eines neuen Körpers?
In diesem Zusammenhang: du hast neulich diskutiert über die Freiheit der Seele geboren zu werden, wann immer sie es wünscht.
Bitte erleuchte uns, ob die Seele auch die Freiheit hat, zu wählen, ob sie den Körper verlassen will oder nicht.“

Es wird leichter sein, wenn wir zwei oder drei Dinge verstehen über die Zeit zwischen der Aufgabe des Körpers und dem Eingang in einen anderen Körper. Zuerst mal, es ist eine Tatsache, daß die Erfahrungen in dieser Zwischenzeit wie Träume sind. Wenn jemand etwas erlebt, ist in diesem Moment das Erleben ein wirkliches Geschehen. Doch wenn jemand das im Gedächtnis erinnert, wird es wie ein Traum; es ist traumartig, denn dabei werden keine Sinne gebraucht. Dein Gefühl und deine Überzeugung, daß ein Geschehen wirklich ist, kommen durch die Sinne und den Körper. [sind also materieller Natur]

Wenn ich fühle, daß ich dich sehe, und wenn ich dann versuche dich zu berühren und merke, daß du nicht berührt werden kannst, dann sage ich, daß du ein Wunder bist: du bist nicht da. Wenn ich versuche, diesen Tisch zu berühren und meine Hand durchgeht ohne irgend etwas zu berühren, dann würde ich sagen, daß dieser Tisch unwirklich ist oder daß ich in einer Einbildung bin, oder daß es eine Art Halluzination ist. Der Test der Wirklichkeit liegt in der Prüfung durch unsere Sinne. [ist also materieller Natur]

Doch nachdem wir einen Körper aufgegeben haben und bevor wir einen anderen angenommen haben, haben wir keine Sinne. Der Körper ist nicht da, was du also in diesem Zustand erfährst, ist wie ein Traum, als ob du einen Traum siehst. Wenn wir Träume sehen, zweifeln wir nicht an ihrer Wirklichkeit. Das ist sehr interessant. Nachher  zweifeln wir an ihrer Wirklichkeit, doch während des Träumens zweifeln wir nie an ihrer Wirklichkeit. Der Traum scheint wirklich zu sein. Was Wirklichkeit ist, bringt uns manchmal in die Zweifel, ob das Gesehene tatsächlich wirklich ist oder nicht, doch imTraum erscheinen solche Zweifel nie. Warum? Weil ein Traum nie den geringsten Zweifel erlauben wird; sonst wird er sofort zusammenbrechen.

Ein Traum ist eine so delikate Sache, daß schon der geringste Zweifel reichen würde, ihn zu töten. Allein das Gefühl, daß es nur ein Traum ist, reicht aus, um ihn zu zerbrechen, und dann wirst du wach. – Damit ein Traum weitergehen kann ist es notwendig, daß du nicht ein Iota an Zweifel hast. Durch den geringsten Zweifel wird selbst der tiefste Traum zerbrechen. So kommt es uns also vor, als ob alles, was wir im Traum sehen, ein wirkliches Geschehen ist. Ein Traum scheint wirklicher zu sein als die Wirklichkeit selbst. Das Wirkliche kann niemals so wirklich sein, weil immer Raum für Zweifel darin liegt. Doch während des Träumens scheint das Geträumte das aller-wirklichste zu sein.

Selbst wenn es klar ist, daß irgendetwas unmöglich ist, kommt es dir nicht so vor. Da kommt zum Beispuiel in einem Traum jemand vorbei. Plötzlich wird er ein Hund. Du denkst nichtmal daran, „wie kann das passieren?“ Es passierte, und es ist möglich. Es gibt keinen Zweifel. Nach dem Aufwachen denkst du vielleicht, „was ist das für ein Unsinn?“ doch nicht bevor du den Traum verlassen hast. Alles ist vernünftig im Traum; da gibt es keine Gegensätze.

Jemand ist dein Freund, und plötzlich zielt er mit dem Gewehr auf dich. Du denkst nicht einmal, „Wie kann ein Freund sowas tun?“ ImTraum ist alles möglich. Nach dem Aufwachen kannst du dich höchstens an Träume erinnern, die während der letzten Stunde waren. Üblicherweise verliert sich ein Traum nach fünf oder sieben Minuten. Nur an sehr eindrucksvolle magst du dich höchstens eine Stunde erinnern. Sonst wären so viele Träume in unseren Erinnerungen, saß wir nicht leben könnten. Innerhalb einer Stunde wird der Verstand frei vom Träume-Rauch.

Ganz ähnlich ist es in der Zeit zwischen zwei Körpern. Was auch immer in diesem Zeitraum geschieht, scheint absolut wirklich zu sein – so wirklich, daß wir niemals so etwas mit unseren Augen und Sinnen erfahren könnten. Deswegen gibt es kein Ende in der Glückseligkeit der Götter. Die himmlischen Mädchen, denen sie begegnen, sind so wirklich für sie – so wirklich wie keine Frau, die wir mit unseren Sinnen je erfahren können, jemals sein kann. Das ist auch so, weil es keine Ende für´s Elend des Geistigen gibt (?). Ihr Elend befällt sie so realistisch wie niemals im wirklichen Leben (?).

Was wir also Himmel und Hölle nennen, sind einfach tiefe Traum-Leben. Die Intensität von Höllenfeuer kann nie im wirklichen Leben gefunden werden, obwohl es ein sehr widersprüchliches Feuer ist. In Schriften finden sich Beschreibungen des Höllenfeuers, in das du geworfen wirst ohne zu verbrennen. Doch man ist sich dieser Widersprüche nie gewahr. Nämlich wenn du in ein intensives Feuer geworfen würdest, würdest du der Hitze nicht widerstehen können; jedoch wirst du keineswegs verbrannt. Dieser Widerspruch, daß „ich im Feuer verbrannt werde,“ daß das Feuer schrecklich ist, daß das Brennen unerträglich ist, und dennoch „werde ich nicht verbrannt,“ wird erst bewußt, wenn man aus dieser traumartigen Erfahrung heraus ist.

Im Zwischenraum zwischen zwei Geburten gibt es zwei Typen von Seelen. Ein Typus ist der der schlechten/bösen Seelen. Für sie ist es schwierig einen Mutterbauch für eine weitere Geburt zu finden. Ich nenne solche Seelen „Pretas“ (tibetisch), schlechte Geister. Der andere Typus besteht aus guten Seelen, ich nenne sie „Devas“ (sanskrit) – Götter. Auch für solche Seelen ist es schwierig, passende Mutterbäuche für eine weitere Geburt zu finden.

Zwischen den beiden gibt es den größten Teil der Seelen, bei denen es keinen fundamentalen Unterschied gibt, nur einen Unterschied im Charakter, in der Persönlichkeit und im Verstand (mental make-up). Sie sind vom selben Typus; nur ihre Erfahrungen werden unterschiedlich sein.

Die bösen Seelen kehren zur Erde zurück mit solch schmerzhaften Erfahrungen, daß die Erinnerung daran schon selbst Hölle ist. Solche, die in der Lage waren, derartige Erinnerungen zu haben, beschrieben die Höllen-Bedingungen. Es ist aber einfach ein geträumtes Land; es gibt es nicht wirklich irgendwo, aber wer sich erinnert aus solchen Bedingungen zurückgekehrt zu sein, sagt, daß es ein solches Feuer nirgendwo in der (wirklichen) Welt gibt. Daß die Gewalt und der Hass, die wir hier finden, nichts ist im Vergleich zu dem, was es dort zu sehen gibt. Mit den Erfahrungen des Himmels ist  es ebenso. Der Unterschied ist lediglich der schönen und der schlimmen Träume. Dieser Zeitabschnitt ist einen volle Traum-Periode.

Das ist sehr philosophisch aber es ist wahr, daß es nur wie ein Traum ist. Wir können verstehen, was Träume sind, weil wir sie täglich erleben. Du siehst einen Traum nur, wenn deine Sinne erschöpft sind. Im tieferen Sinn heißt das, wenn deine Verbindung zu den Sinnen bricht, sinkst du ins Traumleben.  Träume sind auch entweder höllisch oder himmlisch oder gemischt. Manche Leute sehen nur Höllenträume, manche nur himmlische.

Du magst denken, daß du einen Traum über acht Stunden der Nacht hattest. Doch wenn diese Periode sich über acht Jahre ausdehnt, wirst du es auch nicht merken, denn es gibt da kein Zeitbewußtsein. Der Verlauf der Zeit wird vom Gedächtnis nicht klar gemessen. Doch diese Zeitlänge kann durch die Veränderungen in den Erinnerungen gemessen werden, die im Zeitraum zwischen dem vorigen und diesen Körper geschahen.

Doch das ist nur eine Vermutung. Während dieses Intervals gibt es keine Klarheit über die Länge der Zeit: Deswegen hat das Christentum gesagt, daß die Hölle für immer existiert. Das wurde gesagt auf grund der Erinnerung derjenigen, die einen sehr langen Traum gesehen haben. Es war ein so langer Traum, daß sie, wenn sie zurückkehrten keine Erinnerung hatten über das Verhältnis zwischen diesem Körper und dem vorigen. Deswegen sagten sie, daß die Hölle unendlich ist und es sehr schwierig ist, aus ihr heraus zu kommen. Gute Seelen sehen glückliche Träume und böse Seelen sehen unglückliche Träume. Nur wegen ihrer Träume fühlen sie sich unglücklich und elend.

Wenn in Tibet ein Mensch auf dem Sterbebett liegt, werden ihm gewisse Dinge erzählt. Das wird gemacht, um eine gewisse Abfolge von Träumen zu erzeugen. Wenn ein Mensch stirbt wird ihm gesagt, daß er sich vorstellen soll, was ihm erzählt wird. So wird eine neue Atmosphäre, eine neue Konditionierung erzeugt.

Es ist interessant, doch auch wissenschaftlich. Ein Traum kann von außen erzeugt werden. Wenn du in der Nacht schläfst und ein nasses Tuch auf deine Füße gelegt wird, wirst du eine bestimmte Art von Traum haben. Wenn Wärme mit einem Heizer erzeugt wird, entsteht ein anderer Traum. Wenn deine Füße gekühlt werden, träumst du vielleicht, daß es regnet oder du auf Eis gehst. Wenn Hitze auf deine Füße kommt, magst du denken, in einer Wüste zu gehen. Daß die Sonne brennt und du schwitzt.

Träume können also von außen erzeugt werden. Viele Träume werden so erzeugt als ein Ergebnis äußerer Bedingungen. Wenn deine Hand schwer auf deiner Brust liegt, fühlst du vielleicht, daß etwas auf deiner Brust reitet, obwohl es nur deine Hand ist.

Im Moment des Todes – wenn du deinen Körper aufgibst, für eine lange Zeit eines Traumlebens, das nun kommt, nach dem die Seele einen neuen Körper nehmen wird, oder auch nicht – wurde in Tibet eine Methode ersonnen um eine Traumabfolge zu erzeugen. Sie nennen das „Bardo“. Es ist ein Prozess bei dem die Tibeter eine Person voll vorbereiten für die Erfahrung des Todes und das Leben nach dem Sterben. Alle guten Impulse, die es während des Lebens gab, werden hervorgeholt (aroused, in Erinnerung gerufen) so lange die Person noch lebt. Solche Bemühungen werden während des Lebens auch gemacht.

Vorhin habe ich gesagt, daß du dich nach dem Aufwachen deines Traums noch etwa eine Stunde erinnerst. Ähnlich nachdem du neu geboren bist, erinnerst du dich für etwa sechs Monate, bis zum Alter von sechs Monaten an fast alles. Danach verliert sich fast alles lamgsam. Wenn jemand sehr imaginativ oder sehr empfindsam ist, mag er sich etwas länger erinnern. Doch wer sich während des früheren Lebens Mühe gegeben hat und experimentiert hat aufmerksam zu sein, kann sich über eine lange Zeit berinnern.

So wie sich am Morgen für eine Stunde ein Traum-ähnlicher Rauch um dich dreht, beginnt sich für etwa eine Stunde vor dem Einschlafen der Schatten eines Traumes über dich zu legen.

In gleicher Weise beginnt der Schatten des Todes sich auf dich zu legen während der sechs Monate vor deinem Tod. Dein Tod kann vorausgesagt werden während dieser sechs Monate. Wenn die Schatten des Todes beginnen, dich zu umgeben während der letzten sechs Monate, haben die Vorbereitungen des Todes begonnen. [für Osho ist das einmalig, gradlienig, ohne Schwankungen. Ich habe solche Perioden schon mehrmals erlebt, ohne daß direkt mein Tod folgte, es gab immer wieder „Erholungen“ aus solchen Dämmerungs-Perioden, doch ich denke, Osho hat uns eine vereinfachte Beschreibung gegeben]

Diese eine Stunde vor dem Einschlafen, wenn die Traumschatten beginnen, auf dich zu fallen, ist sehr anregend. Keine andere Zeit ist so anregend, denn in dieser Zeit weißt du nicht, ob du noch wach bist oder die Schatten des Schlafs dich schon umgeben. Deswegen haben alle Religionen der Welt verordnet, daß die beste Zeit für Gebete die eine Stunde vor dem Einschlafen und die eine Stunde nach dem Aufwachen ist. Das ist als „Sandhyakal“ bekannt – die Morgen- und die Abenddämmerung.


Mit Sandhyakal wird nicht der Sonnenuntergang oder -aufgang bezeichnet. Es bedeutet wenn du vom Wachsein in den Schlaf übergehst und vom Schlaf in´s Waschsein. Dieser Übergang ist Sandhyakal. Die Sonne hat damit nichts zu tun, doch es wurde mit der Sonne seit jenen Tagen in Verbindung gebracht als der Sonnenuntergang die Zeit des Schlafengehens markierte und der Sonnenaufgang die Zeit aufzuwachen. Doch jetzt muß diese Verbindung unterbrochen werden, denn niemand schläft beim Sonnenuntergang, und niemand steht mit dem Sonnenaufgang auf. Sandhyakal bedeutet eine Stunde vor dem Schlafengehen und eine Stunde nach dem Aufwachen. Es markiert die Zeit zwischen dem Wachsein und dem Schlafen.

Kabir nannte seine Sprache „Sandhya-bhasha“ – die Dämmerungs-Sprache. Er hat gesagt, wir sprechen weder als ob wir schlafen noch als ob wir wach sind. Wir sind gerade in der Mitte. Wir sind in einer solchen Schwierigkeit, daß wir weder vom Innern noch vom Außen her sprechen. Wir stehen in der Mitte, im Grenzland, von wo aus wir sehen können, was die Augen sehen können und was sie nicht sehen können. Wir stehen genau auf der Schwelle. Das, was wir also aussprechen schließt das ein, was nicht ausgesprochen werden kann, und auch all das, was wir sagen können. Deswegen ist unsere Sprache eine Dämmerungs-Sprache. Die Bedeutung muß sehr sorgfältig getroffen werden.

Die eine Stunde am Morgen und die eine Stunde am Abend vor dem Schlafengehen sind sehr wertvoll. Ähnlicherweise sind die sechs-Monate-Periode nach der Geburt und die sechs Monate vor dem Tod gleich wertvoll. Doch wer den Gebrauch der einen Stunde der Dämmerungs-Perioden nicht kennt, versteht nicht die Wichtigkeit und den Wert dieser sechs-monatigen Perioden.

In solchenZivilisationen, die sehr viel von diesen Dingen wussten, waren die ersten sechs Monate nach der Geburt sehr wertvoll. Alles, was wichtig ist, kann dem Kind während der ersten sechs Lebens-Monate gegeben werden. Während der ersten sechs Monate ist das Kind empfänglich in seiner Morgendämmerung-Periode. Danach ist das nicht mehr möglich und wird sehr schwierig.

Doch wir können ihm das nicht über das Sprechen vermitteln. Und weil wir keine andere Methode als Sprechen kennen, gibt es Schwierigkeiten. – In gleicher Weise sind die sechs Monate vor dem Tod auch wertvoll. Während der ersten sechs Monate können wir uns dem Kind nicht mit unserer Sprache verständlich machen, und wir wissen nicht, wann die letzten sechs Monate vor dem Tod gekommen sind. So verlieren wir beide Gelegenheiten.

Doch einen Person, die die eine Stunde vor dem Einschlafen richtig nutzt und ebenso die Stunde nach dem Aufwachen, wird richtig wissen, wenn die sechs-Monate-Periode vor dem Tod beginnt. Wer betet und meditiert während einer Stunde vor dem Schlafen, wird in der Lage sein, zu fühlen, wenn die Dämmerungszeit vor dem Tod gekommen ist. Das ist eine so feine und subtile Erfahrung, daß es weder wie Schlaf noch wie Wachsein ist. Diese Erfahrung ist so fein und unterschiedlich, daß wenn das einmal richtig verstanden ist, man merkt, wenn die sechs-Monate-Periode vor dem Tod begonnen hat. Denn dann wird das Gefühl der Dämmerung über den ganzen Tag andauern. Die Erfahrung und das Gefühl, die vorher nur während der Stunde vor dem Einschlafen kamen,  werden andauern während der letzten sechs Monate.

Deswegen sollten die letzten sechs Monate vor dem Tod voll genutzt werden für „sadhana“. Dieselben sechs Monate werden von den Tibetern für´s Bardo genutzt – für eine Art von Traum-Training, das dir gegeben wird um zu planen, was du nach dem Tod tun willst. Dieses Training kannn dir nicht erst eben vor dem Tod gegeben werden. Es benötigt Vorbereitungen, und nur eine Person, die bereit ist während dieser sechs Monate, kann während der ersten sechs Monate nach der nächsten Geburt trainiert werden. Anders ist es nicht möglich. Diese Prinzipien, die während der letzten sechs Monate gelehrt werden, legen das Fundament für das Training, das während der ersten sechs Monate des nächsten Lebens gegeben werden kann. [sadhana ist das spírituelle Reifen]

Zu allen diesen Dingen gibt es ein eigenes wissenschaftliches Denken, ihre Grundsätze und ihre Geheimnisse. Und alles kann ebenso geprüft werden. Eine Person, die durch dieses Training gegangen ist, wird sich auch erinnern, was im Intervall zwischen zwei Geburten [das ist das Leben + die Zeit im Tod = Bardo] geschehen ist. Aber diese Erinnerung ist die Erinnerung an einen Traum, sie ist nicht wirklich.

Himmel und Hölle sind auch Erinnerungen einer Traum-Periode. Man kann Beschreibungen geben. Es kommt nur von solchen Beschreibungen [der Träume], daß Konzepte von Himmel und Hölle in allen Religionen entstanden sind. Die Beschreibungen unterscheiden sich nicht deshalb, weil die Plätze  verschieden sind, sondern weil die geistige Situationen der Personen, die sich an  ihre Erfahrungen erinnern, verschieden sind. Wenn Christen den Himmel beschreiben, wird es deswegen anders sein, als wenn Hindus ihn beschreiben. Denn die Beschreibungen hängen ab von verschiedenen Bewußtseins-Zuständen. Die Jainas werden ihn noch anders beschreiben, und die Buddhisten noch anders.

Jede Person wird eine andere Geschichte bringen. Es ist etwa so, wenn wir alle im selben Raum schlafen und dann aufstehen und unsere Träume beschreiben. Wir haben alle im selben Raum geschlafen; wir sind am selben Ort, doch unsere Träume werden unterschiedlich sein. Alles hängt von der Person ab.

Alle Erfahrungen von Himmel und Hölle sind individuell, aber man kann breite Ähnlichkeiten finden – daß es Glücklichkeit im Himmel und Elend in der Hölle gibt. Daß die Formen des Elends so oder so sein werden und so und so die Form der Glücklichkeit. Alle solche Beschreibungen, die bis jetzt gegeben wurden, sind glaubhafte Berichte von verschiedenen Zustände von Bewußtseinen.

Es wurde gefragt, „wenn jemand die Geburt auswählen kann, kann er den Tod auch wählen?“ Da muß man auch an zwei oder drei Dinge denken. Die Freiheit, die Geburt zu wählen, bedeutet, daß jemand geboren wird, wenn er das wünscht. Das ist die erste Freiheit einer Person, die höheres (supreme) Wissen erreicht hat. Wenn er das wünscht, kann er geboren werden. Doch sobald der Wunsch da ist, beginnt die Sklaverei mit diesem Wunsch.

[zum Beispiel:] . . .  ich stehe außerhalb eines Gebäudes. Ich habe die Freiheit reinzugehen, wenn ich es wünsche. Doch sobald ich das Gebäude betrete, beginnen die Beschränkungen des Gebäudes meine  Bewegungen zu beeinflussen. Somit ist die Freiheit, den Tod zu wählen nicht so groß wie die, die Geburt zu wählen.

Für eine gewöhnliche Person gibt es keine Freiheit, den Tod zu wählen, denn sie hat nicht mal die Geburt gewählt. Doch die Freiheit von jemanden, der verwirklicht/erleuchtet ist, seine Geburt zu wählen, ist total. Und sie ist sehr groß in dem Sinne, daß er es auch ablehnen kann, geboren zu werden, wenn er will. Doch wenn der Entschluß, geboren zu werden, erstmal gefasst ist, beginnt eine Reihe von Beschränkungen ins Spiel zu kommen – denn er hat Beschränkungen gewählt. Er gibt den unendlichen Raum auf und betritt die Enge. Diese enge Passage auferlegt ihre eigenen Beschränkungen.

Nun wählt er den Mutterbauch. Üblicherweise erwählt man nicht seinen Mutterbauch. Doch wenn eine verwirklichte/erleuchtete Person wählt, muß sie eine Auswahl treffen unter hunderttausenden solcher Mutterbäuche, die zur Verfügung stehen. Aus diesen wählt er aus; doch sobald er ausgewählt hat, betritt er die Welt der Beschränkungen. Alle Mutterbäuche haben ihre Einschränkungen. Er wählt eine Mutter und einen Vater. In diesem Prozess hat er dieselbe Langlebigkeit/Lebensdauer erwählt wie die befruchteten Eier der Eltern. Damit ist die Auswahl geschehen, und nun muß er diesen Körper nutzen.

Wenn du zum Markt gehst und eine Maschine kaufst mit einer Zehnjahresgarantie, ist die Einschränkung festgelegt. Wissendlich hast du diese Maschine gekauft, da gibt es also keine Frage der Sklaverei. Du wirst nicht sagen, „ich kaufte diese Maschine und nun bin ich versklavt, denn sie wird nur zehn Jahre halten.“ Du hast sie im vollen Wissen ausgewählt, daß sie zehn Jahre halten wird, und damit ist diese Sache abgeschlossen. Es gibt dabei keinerlei Schmerz.

Wer bewußt geboren wird [als Erleuchteter/Verwirklichter], weiß, daß wenn der Körper sterben wird, so hat er die Beachtung eines tod-gerichteten Körpers. In diesen Leuten finden wir eine Art von Ungeduld, die wir bei den meisten Leuten nicht finden. Wenn wir die Geschichte von Jesus ansehen, fühlen wir, daß er sehr ungeduldig ist. Als ob etwas mit  ihm in wenigen Momenten geschehen wird. Die ihm zuhören, verstehen diese Schwierigkeiten nicht, weil sie sich ihres eigenen nahenden Todes nicht sehr bewußt sind. Doch für Jesus steht der Tod vor ihm; er weiß, wann es geschehen wird. [ich kenne diese Ungeduld seit Jahren, deswegen vergeude ich keine Zeit mit Gesellschaftsspielen, PC-Spielen, Langweiligkeiten, Nutzlosigkeiten, langweiliger Musik]

Jesus bittet dich, die Arbeit heute zu vollenden, und du sagst, das geht auch morgen. Dann ist Jesus in Schwierigkeiten, denn es mag sein, daß er morgen nicht mehr ist. Deswegen,  ob es Mahavira oder Buddha oder Jesus ist, sie sind in Eile. Sie rennen mit großer Geschwindigkeit, denn unter so vielen toten Leuten sind sie die einzigen, die sich des Ganzen bewußt sind. Deswegen sind solche Leute immer in Eile. Es würde keinen Unterschied machen, ob solche verwirklichten Leute hundert oder zweihundert Jahre leben würden, denn jede Zeitlänge ist kurz für sie. Wir finden die Zeit nicht kurz, denn  wir wissen ja nicht, wann sie enden wird. Wir gehen sogar so weit, daß wir vergessen, daß sie enden wird.

Die Freiheit, die eigene Geburt zu wählen ist sehr groß. Doch die Geburt selbst bedeutet, in ein Gefängnis zu gehen. Und alle Beschränkungen eines Gefängnisses muß man akzeptieren. Doch eine solche Person akzeptiert diese Dinge von Natur aus, denn es ist ihre eigene Wahl. Wenn jemand in dieses Gefängnis geht, war er nicht dahin gebracht  worden, sondern er ist von sich aus hingegangen. Deswegen zeigt er seine Hände um die Handschellen zu bekommen. In diesen Schellen entstehen keine Schmerzen [ich finde doch, geschieht auch mal]. Die Person schläft nahe den dunklen Wänden ohne irgendwelche Probleme, denn sie ist freiwillig in dieses Gefängnis gegangen. Sie hätte unter dem offenen Himmel bleiben können. Doch sie ist aus eigenem Willen in das Gefängnis gegangen.

Wenn Sklaverei freiwillig ist, ist sie Freiheit. Doch wenn Freiheit ohne Wahlfreiheit ist, ist es Sklaverei. Freiheit und Sklaverei sind klar getrennte Dinge. Wenn wir Sklaverei aus eigenem Willen gewählt haben, ist es Freiheit, doch wenn Freiheit uns aufgezwungen ist, ist es Sklaverei. Für jemanden, der seine Geburt bewußt angegangen ist, werden die Dinge sehr klar gesehen, und so entscheidet er mit Leichtigkeit. Er weiß, daß er siebzig Jahre lang leben wird, und er entscheidet klar, was er in dieser Zeit zu tun hat. Er beginnt nur solche Dinge, die er auch vervollständigen kann; er wirft seine Netze nicht zu weit in die Zukunft aus. Was er morgen tun kann, wird der tun – und er wird es zu Ende bringen; darum wird er nicht immer in Besorgnis sein.

Im Verlaufe seines Lebens wird er sich auch auf den Tod vorbereiten. Der Tod ist ebenfalls eine Vorbereitung für ihn. Einerseits ist er in Eile – im Vergleich zu anderen / was andere betrifft. Was ihn selbst angeht, ist er nicht in Eile. Für sich selbst bleibt nichts zu tun. Er kann selbst auswählen, wie er sterben wird. Wenn er innerhalb der siebzig Jahre sterben muß, ist er in der Lage zu entscheiden, in welchem Momentum sein Körper ist – wann, wie und auif welche Weise er sterben wird. [diese Selbst-Wahl liegt nicht im alltäglich-bewußten Geistesbereich sondern in einem anderen Bereich, der Ähnlichkeit mit den Träumen hat, oder mit Instinkten]

Es war einmal eine Zen-Nonne. Sie hat die Leute informiert, daß sie innerhalb sechs Monaten sterben würde. Sie bereitete sich einen Scheiterhaufen vor, auf dem ihr Körper verbrannt werden sollte. Am verabredeten Tag kletterte sie hinauf, verbeugte sich vor allen, die herumstanden, und dann entzündeten diese Freunde den Scheiterhaufen. Als die Flammen sich ihr näherten, fragte jemand aus der Menge, „fühlt es sich nicht sehr heiß an?“

Die Nonne lachte und sagte, „was bist du doch für ein Narr! Selbst bei dieser letzten Gelegenheit fragst du solche närrische Fragen. Du hättest etwas seht Brauchbares und Wichtiges fragen sollen. Ich weiß es und du weißt es auch, daß es sehr heiß ist, mitten in den Flammen zu sitzen.“

Doch es war ihre Wahl. Sie lachte während sie verbrannt wurde. Sie hatte selbst den Moment ihres Todes erwählt, und sie wollte ihre Schüler, die herum standen, lehren, daß es möglich ist, lachend zu sterben. Wer nicht einmal im Leben lachen kann, für den ist diese Nachricht, daß man selbst lachend sterben kann, sehr wichtig.

Der Tod kann auch sehr gut geplant werden, doch wie die Wahl ausfallen wird, hängt von dem ab, der wählt. Doch das ist alles in Grenzen. Wenn ich in diesem Raum bleiben muß, kann ich entscheiden, in welcher Ecke ich sitzen will – ob ich auf der linken oder der rechten Seite schlafen will; so ist meine Freiheit. So einer nutzt selbst seinen Tod und nutzt alles im Leben. Manchmal ist so eine Nutzung sichtbar, manchmal nicht. Tatsächlich wird dieser Mensch nur geboren, um für andere nützlich zu sein. Für ihn selbst ist keine Notwendigkeit. Nützlich für andere zu werden ist seine Aufgabe. Doch es ist sehr schwierig für uns, seine Experimente zu verstehen. Meistens können wir sie nicht verstehen. Was immer er tut, wir merken es gar nicht. Es kann nicht mit unserem Wissen getan werden.

Ein Mensch wie Buddha wird nie sagen, „ich werde morgen sterben.“ Falls seine Sterbezeit morgen ist, wird er morgen sterben, dann ist es ohne Nutzen es heute zu sagen. Dann wird das, was heute getan werden könnte, auch nicht getan werden. Dann werden die Leute zu weinen beginnen, selbst heute schon. Dann können selbst nicht die folgenden vier Stunden genutzt werden. So eine Person wird für einige Zeit still sein, doch später wird er seinen Tod laut verkünden. Er wird entsprechend der momentanen Situation entscheiden.

Vom Mutterbauch zum Grab: eine Geburt nach der Selbst-Verwirklichung/Erleuchtung ist Training. Doch dieses Training ist nicht nötig für den Erleuchteten. Es ist eine Disziplin, jedoch nicht für ihn selbst. Die Strategie muß immer wieder verändert werden, denn alle Strategien werden alt und schwierig, und werden schwierig für die Leute zu verstehen.


Zum Beispiel Gurdjieff  [Bild unten]: er würde dich erst 100$ zahlen lassen bevor er deine Frage beantwortet hätte. Während Mahavira Geld nicht einmal angerührt hätte. Und Gurdjieff hätte in nur ein oder zwei Sätzen geantwortet. Für eine weitere Frage hätte er den Frager weitere 100$ zahlen lassen. Oft fragten ihn die Leute, was er da tut. Wer ihn kannte war verwirrt, denn an einem Moment erschien es, als ob er das Geld behalten würde, und dann würde er es an andere Leute verteilt haben. Warum dann 100$ verlangen?

Gurdjieff sagte, denen, für die nur Geld im Leben von Wert war, ohne Bezahlung etwas über Gott zu sagen sei wertlos. Solche Leute würden Dunge nicht wert schätzen, die sie ohne Bezahlung bekämen. Gurdjieff meinte, etwas Wertvolles zu bekomnmen jemand müsse schon etwas gegenbringen, in der einen oder anderen Weise. Wer nicht bereit ist, etwas zu geben hat kein Recht [im Spirituellen] etwas zu bekommen. [vielleicht sind Selbsterfahrungsgruppen und Tantra so teuer; und meine alte Idee, für spirituelle Reifungs-Angebote nichts extra zu nehmen, sind wohl falsch. Oft bin ich auch einfach still]

Doch die Leute meinten, Gurdjieff liebte das Geld, weil er nicht ohne Geld antworten würde. Ich sehe das so, im Westen, wo er lebte, wo die Leute nur Geld wertvoll finden, konnte nur ein solcher Lehrer wirksam sein. Er wusste, daß wenn man bereit ist, für jedes Wort zu zahlen, nur dann wurde deren Wert erkannt. Du wirst nur das mit nach Hause nehmen, wofür du bezahlt hast. Nicht irgend etwas, was du frei bekommen hast.

Gurdjieff würde Dinge tun, die man sonst nicht gutgeheißen hätte. Seine Schüler wären entsetzt. Sie würden ihm sagen, es wäre besser, wenn er solche Dinge nicht tun würde. Doch Gurdjieff würde sie wissend und absichtlich tun. Er würde da sitzen, und wenn du ihn besuchen würdest, würde er Fratzen schneiden und so tun als ob er ein Verrückter wäre. Er würde überhaupt nicht wie ein Heiliger aussehen. Er hat lange mit Sufi-Methoden experimentiert, so könnte er plötzlich mit seinen Augen schielen und in verschmitzte Ausdrücke überwechseln.

Seine ganze Erscheinung wechselte mit den Veränderungen seiner Augenwinkel. Zwischen einem Heiligen und einem Verrückten ist kein großer Unterschied außer in den Augenwinkeln. Sobald die sich verändert haben, würde ein Heiliger aussehen wie ein Narr und umgekehrt.

Gurdjieff´s Augen veränderten sich sehr schnell. Selbst wer neben ihm saß, würde nicht merken, daß er Ankömmlinge geängstigt hatte. Ein Neuankömmling mag so erschrocken sein, daß er fast wegrennen würde. Wenn Gurdjieff´s Freunde das bemerkten, fragten sie ihn, warum er sich so verhielt. Selbst bevor sie irgend etwas über den Neuling wussten, wäre er schon weggescheucht. Wieso?

Gurdjieff würde dann erläutern, daß der Neuling einen Verrückten in ihm gefunden hätte. Selbst wenn er ein Heiliger wäre, würde ihn das einige Zeit gekostet haben. Doch Gurdjieff wollte nicht, daß er seine Zeit vergeudet, also zeigte er ihm, wofür er gekommen war und wies ihn an, daß er nun weggehen könne. Denn er würde alle seine drei oder vier Besuche unnötig vergeudet haben, nur um dasselbe zu finden.

Doch wenn ein Neuling sich trotz solchen Verhaltens nicht berührt gefühlt hätte, nur dann würde Gurdjieff versuchen etwas mit ihm zu tun. So würde er wirklich die Wahrheit erfahren haben, er würde geduldig warten und nicht zu hastigen Folgerungen kommen.

Es hängt also vom Lehrer ab, wie er lehren will. Manchmal ist es sein ganzes Leben lang für dich nicht möglich, seine Ziele zu erkennen. Der Lehrer nutzt jeden Moment seines Lebens, von der Geburt bis zum Tod. Er vergeudet keinen einzigen Moment. Jeder seiner Momente hat tiefe Bedeutung, und es ist Teil eines großartigen Ziels und einer großen Bestimmung.





 

Übersetzung und Arrangenent:  
Swami Prem Aryaman
(Stefan Wellershaus,
Ma.Aryafrau@gmx.de)




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FÜNF: eine Seelen-Lehre



 

Hier schreibe ich als Ergänzung zu  der Frage an Osho:

"Wäre es möglich für dich zu beschreiben, was der Seele nach dem Tod geschieht  . . . " 
und seine Antwort, zu sehen in http://mein-leben-und-sterben-drei-bis-fuenf.blogspot.de/2012/12/dimensionen-jenseits-des-bekannten-das.html  .

Osho spricht im Buch "Dimensionen jenseits des Bekannten" von „Seele“, ziemlich abgekürzt. Hier will ich mehr ins Detail gehen, aber nicht esoterisch werden, sondern so weit ich es vermag konkret sein. Dabei richte ich mich nach den Büchern von Varda Hasselmann und Frank Schmolke. Ob das ganz Osho´s Einsichten sind, weiß ich nicht genau. Doch die beiden Autoren kennen Osho, sind seine Schüler (wie ich auch). Was sie in ihren Büchern beschreiben, haben sie von einer „überpersönlichen Bewußtseins-Instanz“, genannt „die Quelle“,  als Durchsagen auf ihre Fragen bekommen. Durchsagen erfahren sie − wie sie schreiben − „mit geschlossenen Augen und offenem Herzen“  (in „Welten der Seele“, Vorbemerkungen, Seite 9). Die erfragten Themen „betrafen die gestaltlosen, aber keineswegs ungeformten Dimensionen des Bewußtseins und der Seele.“ Dabei war Varda das Trance-Medium, und Frank fragte und protokollierte.

Die „Quelle“ erlebten sie als „eine seelisch-geistige, körperlose Instanz, von der sie Antworten erhielten, die Gefühl und Verstand zufrieden stellten.“ Am Anfang des genannten Buches beschreiben beide ihren eigenen Zugang zu dieser Art von Geistigkeit.

Mein Bericht ist nicht ausführlich, er ist eine Kurzfassung so wie ich es verstehe.

Was ich im Folgenden beschreibe, beruht auf den Worten, die ich in den Büchern der beiden finde. Sie stammen nicht aus dem konstruktiven Arbeiten unseres Geistes, unseres Denkens und unserer Bildung, sie sind nicht Wissenschaft im westlichen Sinn. Ich meine, unsere moderne, materialistische Wissenschaft hat sich allerlei Einschränkungen auferlegt (das ist wissenschaftliche Methode). Und sie hat sich damit Zugänge zu weiten Bereichen des Geistigen verschlossen, also auch zu dem, was die „Quelle“ sagt.


Was meint die „Quelle“ mit Seele? Nicht die Psyche, die ein nicht-materielles Organ unseres Verstandes, unseres „mind“ (englisch) oder MENS (lateinisch) ist und an den lebenden Körper gebunden ist („eingekörpert“ sagen die Autoren statt des etwas schwierigen Wortes „inkarniert“). Die Seele aber ist ein nahezu ewiges Individuum, das sich immer mal in ein menschliches Wesen/Menschenwesen einnistet (eben: „inkarniert“) — oder auch nicht. Die Seele ist nicht materiell und ist auch nicht erfassbar durch die Psychologie oder Psychiatrie. Seelsorge kann es nicht geben, denn die sogenannten Seelsorger sind nicht in der Lage, eine Seele zu ergreifen und sich um sie zu sorgen. Eine Seele lebt in einer höheren Ebene als ein normaler Mensch, an die ein Mensch nicht so einfach heran greifen kann.


Nach Berichten der „Quelle“ gibt es nahezu unendlich viele individuelle Seelen. Sie sind aber nicht individuell verortbar, haben keinen Platz, weder hier noch an anderer Stelle des Universums. Somit ist Seele im wissenschaftlichen Sinn etwas Abstraktes — so wie Schönheit, Ehre und so weiter.

Wie ich das verstehe, hat jede Seele ihren eigenen, ganz individuellen Charakter. Und gewiß gibt es Charaktertypen, die einander ähneln, zusammen gehören, und die man zum Beispiel in Gruppen oder Familien zusammen fassen könnte — wie die „Quelle“ das tut (Literatur 3). Da beschreibt sie ein ganzes System verschiedenster Seeleneigenschaften und Gruppierungen größten Ausmaßes. Es gibt Milliarden von Seelen, in Millionen solcher Gruppierungen. Die Mehrzahl der Seelen ist in diesem Moment nicht eingekörpert, viele wollen es nie werden.

Es gibt Seelen-Verwandtschaften, also Gruppen von Seelen, die ähnlich im Charakter sind, zum Beispiel Seelen-Familien (das ist die unterste Gruppe bei der „Quelle“) (Literatur 2). Wahrscheinlich sind sie einander sympathisch. Ich habe den Eindruck, daß ich mit ein paar anderen Menschen, die ich kenne, nahe seelen-verwandt bin, mit anderen etwas weniger nahe verwandt. Diese Menschen mag ich sehr gerne, ich kann mich auch in sie verlieben, muß aber nicht. Ich mag nicht mit ihnen streiten. Eine solche Liebe stellt wenige Forderungen an die anderen Familienmitglieder. Das sind die idealen Verbindungen, Freundschaften, Ehen  . . .  möglicherweise zu einander liebevoll, und miteinander liebevoll zu anderen Lebewesen. Doch da habe ich vielleicht übertriebene Hoffnungen, denn ich sehe, auch grausame Menschen sind miteinander seelen-verwandt, sind vielleicht verwandt mit anderen grausamen Menschen, und so weiter. Zu denen hat unsere Familie keine Sympathien.

Erst seit einem Jahr lese ich in diesen Büchern von Varda und Frank, studiere sie. Zwischen diesem Studieren nehme ich mir lange Stunden Zeit der Stille, also, wie man sagt, meditiere ich. Und da geschah es, daß ich an einem Tag, als ich meinen Kreis von Seelen-Verwandten voller Rührung entdeckte, ein wunderschönes, Regenbogen-buntes Seidentuch geschenkt bekam. Ich „weiß“ nicht, wer es mir geschenkt hat, doch ich ahne, daß eine meiner Seelen-Verwandten es mir zukommen ließ, bewußt oder nicht. Seit dem trage ich es fast täglich. Doch ich spreche mit der erahnten Person nicht darüber, trage das Tuch und lasse es sie und mich und alle sehen.

Doch mit einigen anderen erkannten Seelen-Verwandten spreche ich kurz über meine Erkenntnisse, und habe schon viel Freude erlebt. Gewiß gibt es, gab es und wird es sehr viele Mitglieder in meiner Familie geben, meist weit weg und nie erkennbar. Doch ich kann mir vorstellen, daß nah-Seelen-Verwandte sich zum Beispiel zur Ehe und Familie finden und dauerhaft verstehen. Um das aber ganz ausleben zu können, müssen diese Verwandten frei und locker genug sein, die eigene Seele und die der/des Seelen-Verwandten zu erkennen und bedingungslos zu lieben. Da wir in unserer Kultur wenig Beschäftigung mit den Seelen-Lehren kennen, kann es schnell zu Mißverständnissen kommen — und die Verbindung leidet oder zerbricht sogar, am Ende ungerechtfertigt, vermute ich.

Wie die „Quelle“ aussagt, hat eine Seele einen eigenen Willen, eine eigene Entscheidung. Sie kann „seelisch“ wachsen, reifen, doch während der Zeit ihres Seins in einem Menschen kann die Seele sich nicht wesentlich verändern — im Gegensatz zu Psyche, Geist und Körper. Nun aber habe ich meine eigene Seele ein wenig gesehen, erlebt, wie ich annehme, und ich sehe sehr wohl ein gewisses Reifen meiner Seele während meiner nun 82 Lebensjahre.



Zum Mindesten ist das alles eine Sache meiner Psyche — ganz individuell oder aus irgendeiner Information gespeist, dieser Information aber bin ich mir nicht bewußt, jedenfalls kam die Information (oder Lehre) nicht von meiner Mutter oder Familie. Ist da etwas aus meiner Seele angekommen? Oder aus Erlebnissen in früher Kindheit oder aus meinen früheren Existenzen? Ich muß mal weiter in meinem Innern forschen. Die Seele als Lieferant der Information ist mir das Wahrscheinlichste. Aber das ist (noch) Spekulation.


Weiter zu dem, was die „Quelle“ sagt: Es ist selten, daß sich eine Seele schnell wieder nach dem Tod einkörpert, höre ich sie sagen. Erst nach Jahrzehnten oder Jahrhunderten mal wieder. Doch das kann ich so für meine erahnte Seele nicht übernehmen. In mehreren „Rückführungen“ („Re-Inkarnationen“) sah ich frühere Einkörperungen meiner Seele („frühere Existenzen“ sagten wir da), nicht alle zeitlich weit weg (höchstens ein paar Jahrhunderte). Doch vielleicht waren das Irrtümer, ich weiß nicht so recht.

Vielleicht kann man auch die nächste Einkörperung vorbereiten — jedenfalls geht die tibetische Seelenlehre davon aus:  im Tibetischen Totenbuch finde ich so was: im „Bardo“ — das ist die Periode vom Tod bis zur Wiedergeburt — hat die Seele die Möglichkeit.  Ich jedenfalls gehe schon seit Jahren diesen Weg der Vorbereitung — mal sehen, was geschehen wird.


Nun mag die Frage auftauchen: wie weit ist das alles konkret oder richtig oder nur erahnt oder erdacht? Ich denke, es ist meine eigene Erfahrung, angeregt durch die Bücher von Varda und Frank. Durch die Bücher habe ich zwar die geistigen Muster gelernt, dahin zu sehen, doch vielleicht entwickelte sich daraus die eigene Erfahrung. Erst in der Meditation öffnet sich mir diese Erfahrung.


Literatur:
Varda Hasselmann & Frank Schmolke,1993: Welten der Seele, Goldmann Verlag, ISBN 3-442-12196-3.
dieselben, 2001: Die Seelenfamilie, Goldmann Verlag, ISBN 978-3-442-21529-4.
dieselben, 2010: Archetypen der Seele, 4. Auflage, Goldmann Verlag, ISBN 978-3-442-21929-2.

Osho (Bhagwan Sree Rajneesh), 1989: Dimensions beyond the known, (Dimensionen jenseits des Bekannten), The Rebel Publishing House, ISBN 3-89338-061-2.    Übersetzung oben (http://mein-leben-und-sterben-drei-bis-fuenf.blogspot.de/2012/12/dimensionen-jenseits-des-bekannten-das.html). Bedenkt beim Lesen, wir sind hierbei nicht im Westen sondern in Asien.



Tibetische Buddha-Statue aus Ladakh (Bronce),  Hintergrund von Judith Horvath



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